Back

UNIVERSITÄT WIEN

Shaul Pollak ist Gruppenleiter am Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaften an der Universität Wien. Seine Forschung konzentriert sich auf die Entwicklung von Werkzeugen und Konzepten, um zu verstehen, wie Individuen in mikrobiellen Gemeinschaften (auch bekannt als "Mikrobiome") zusammenwirken, um Ökosystemfunktionen zu erfüllen, mit dem letztendlichen Ziel, Mikrobiome für ökologische und nachhaltige menschliche Bedürfnisse effektiv zu manipulieren.

AVINA unterstützt Shaul Pollak bei der Entwicklung von KI-gestützten genomischen Analysewerkzeugen, um die ökologische Organisation innerhalb von Mikrobiomen zu verstehen, und bei der Entwicklung theoretischer und experimenteller Werkzeuge, um zu verstehen, wie der Klimawandel und andere Umweltfaktoren die Funktion von Mikrobiomen durch Modulation ökologischer Interaktionen beeinflussen. Die aus diesem Projekt gewonnenen Erkenntnisse könnten weitreichende Folgen haben, von der Unterstützung bei der Entwicklung personalisierter Probiotika für die Landwirtschaft, die auf einen bestimmten Bereich zugeschnitten sind, bis hin zur Verbesserung der Vorhersage des künftigen Klimas.

Shaul Pollak

Shaul Pollak befasst sich in seinem Forschungsprojekt mit einem äußerst komplexen Thema. In unserem Interview gibt Shaul Pollak einen Einblick in seine Arbeit, beschreibt, wie die Idee zu diesem Projekt entstand und wem die Ergebnisse des Projekts in Zukunft am meisten helfen werden.
Bitte beschreiben Sie das Projekt in 5 Sätzen oder weniger.
Das Funktionieren praktisch aller Ökosysteme auf der Erde hängt von den Funktionen des Mikrobioms ab, und wenn man sich eine Welt ohne Mikroben vorstellt, ist das eine Welt, die schnell in Verwüstung und Verfall sinkt. Mikrobiome sind extrem komplex, viel komplexer als jedes tierische Ökosystem, mit Milliarden und Abermilliarden von Individuen, die zu Tasuenden von verschiedenen Arten gehören. Die am weitesten verbreitete Technologie zur Untersuchung von Mikrobiomen ist die DNA-Sequenzierung, aber die meiste DNA ist für uns immer noch nicht entzifferbar, was unser Verständnis für die Funktionsweise dieser wichtigen Gemeinschaften stark einschränkt. Im Rahmen unseres Projekts werden wir KI-gestützte Werkzeuge entwickeln, die die extrem komplexen DANN-Sequenzdaten des Mikrobioms in einfache „funktionelle Gruppen“ umwandeln, die Mikroben repräsentieren, die ähnliche Funktionen in der Gemeinschaft ausüben. Anschliessend werden wir die quantitativen Auswirkungen der Interaktionen zwischen den „funktionellen Gruppen“ auf die Funktion der Gemeinschaft bestimmen und herausfinden, wie der Klimawandel diese Auswirkungen moduliert, um schliesslich eine quantitative andwendbar ist.
Wann und wo ist die Idee zu diesem Projekt geboren?
Während meiner Postdoc-Zeit am MIT in Boston, Massachusetts, sind meine Frau und ich jedes Wochenende in den Wäldern Neuenglands (Hapshire, Maine, Vermont und Massachusetts) gewandert. Während dem Wandern unterhielten wir uns über die verschiedenen Pflanzen und Tiere, die wir sahen, und darüber, wie die Wechselwirkungen zwischen ihnen die Landwirtschaft zu dem machten, was sie ist. Dies führte zu sehr naiven, aber auch tiefgründigen Gesprächen über Ökologie, Wechselwirkungen und darüber, was aus ökologischer Sicht für die Funktion von Ökosystemen wichtig ist. Da meine Frau keine Wissenschaftlerin ist, habe ich immer versucht, komplizierte Konzepte mit einfachen Worten zu erklären. Zu dieser Zeit lag mein Forschungsschwerpunkt auf marinen Mikrobiomen, und diese Gespräche mit meiner Frau weckten mein Interesse an den viel komplexeren terrestrischen Mikrobiomen und machten deutlich, dass es notwendig ist, sie zu vereinfachen, um sie zu verstehen und quantitative Modelle ihrer Funktion zu erstellen, die für viele verschiedene Ökosysteme gelten. Die Ideen für das Projekt ergaben sich ganz natürlich aus meiner früheren Besessenheit für Ökologie, Wissenschaft komplexer Systeme, maschinelles Lernen, Genomik und Mikrobiologie… oder einfach ausgedrückt, für die Wissenschaft.
Was wäre für Sie das ideale Ergebnis Ihres Projekts?
Ich denke, es wird zunehmend verstanden, dass zur Bewältigung der existenziellen Probleme, mit denen die Menschheit konfrontiert ist, wie z.B. Klimawandel und Ernährungssicherheit, eine Vielzahl technologischer, wissenschaftlicher und sozialer Veränderungen zusammenwirken muss. Die Bedeutung mikrobieller Prozesse für diese Vision kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, doch sind sie wahrscheinlich am schwierigsten zu kontrollieren, vorherzusagen und zu manipulieren, weil wir so wenig über Mikrobiome wissen. In einer idealen Welt würde unser Projekt konservierte „Konstruktionsprinzipen“ von Bakteriengenomen und von Mikrobiomen aufdecken, die polymere Zucker abbauen, was eine zentrale Aktivität von Mikroben an Land, im Meer und sogar im menschlichen Darm ist. Das bedeutet, dass die Hoffnung besteht, allgemeine Prinzipien zu finden, die dann auf viele verschiedene natürliche und angewandte Systeme angewandt werden können und schliesslich zu vielfältigen Anwendungen führen.
Wem werden die Ergebnisse Ihres Projekts in Zukunft am meisten helfen?
Meine Forschung befasst sich mit Grundlagenforschung – Ökologie, Genomik, Mikrobiologie usw. Ich hoffe, dass diese Arbeit vor allem den Menschen in der wissenschaftlichen Gemeinschaft zugute kommt, die in dem Sinne recht klein ist, dass Menschen aus verschiedenen Disziplinen selten miteinander sprechen, und dass sie Menschen aus verschiedenen Bereichen und Disziplinen zusammenbringt. In fernerer Zukunft hoffe ich, dass unsere Erkenntnisse in Klimamodellen (die sehr stark von der mikrobioellen Aktivität abhängen) und in die Entwicklung personalisierter „ökologisch basierter“ Probiotika für Menschen, Tiere und die Landwirtschaft einfliessen werden, was ein sehr realisistisches Ziel ist.